Österreichische Akteure und Akteurinnen in branchenspezifischen Wertschöpfungskreisläufen: Transformationsschwerpunkt Textilwirtschaft
Bibliographische Daten
Schriftenreihe 56/2025Karin Granzer-Sudra, Hannah Pollak, Veronika Reinberg, Lukas Wagner
Herausgeber: BMIMI
Deutsch, 126 Seiten
Inhaltsbeschreibung
Motivation und Ziel
Ziel der Kurzstudie war es, die wesentlichsten Akteure und Akteurinnen im Wertschöpfungskreislauf der Textilwirtschaft zu identifizieren, zu kategorisieren und die Stakeholdergruppen mit Hilfe einer Visualisierung darzustellen. In dieser Kurzstudie wurden weiters die relevanten Normen und Standards im Textilsektor systematisch erfasst und analysiert. Im Zentrum stand die Frage, an welchen Stellen bestehende Regelwerke angepasst oder erweitert werden müssen, um zirkuläre Materialströme und die längere Nutzung von Textilien besser zu ermöglichen. Darüber hinaus wurden die wesentlichsten Hindernisse für eine Umsetzung der Kreislaufwirtschaft für die Akteure und Akteurinnen sowie unterstützende Maßnahmen herausgearbeitet und Empfehlungen für die FTI-Politik entwickelt.
Methodik
Die Ergebnisse der Studie basieren auf einer Literatur- und Onlinerecherche zur Analyse des regulatorischen Umfelds, einer systematischen Identifikation und Kategorisierung von relevanten Akteuren und Akteurinnen nach ÖNACE-Kategorien, leitfadengestützten Interviews mit Vertreter:innen aus Verbänden, Forschung, Verwaltung und Normungsinstitutionen. Darüber hinaus wurde eine Online-Umfrage bei Unternehmen der Textilwirtschaft im Zeitraum April bis Mai 2025 durchgeführt. Ziel war das Erfassen des Status-quo von KLW-Aktivitäten, Hemmnissen und förderlichen Maßnahmen.
Ergebnisse
Die österreichische Textilbranche ist im Vergleich zur EU klein, aber stark exportorientiert und zunehmend KLW-orientiert. 89 % der befragten Unternehmen verankern bereits Kreislaufwirtschaftsaktivitäten in ihrer Unternehmensstrategie. Die wichtigsten Beweggründe sind persönliches Engagement, ökologische Vorteile sowie Marketingaspekte im Kontext der Nachhaltigkeitskommunikation. Trotzdem fehlen im Wertschöpfungskreislauf wesentliche Elemente, etwa automatisierte Sortierung und Faser-zu-Faser-Recycling-Anlagen – das Recycling und die dafür notwendige Infrastruktur sind in Österreich insgesamt unterentwickelt.
Herausforderungen
Die Kreislaufführung von Textilien steht derzeit vor erheblichen Herausforderungen. Ein wesentliches Problem ist die unzureichende Wirtschaftlichkeit zum einen von Re-Use Geschäftsmodellen aber auch von Recycling. Hier spielen technologische Defizite bei Sortierung, Trennung komplexer Materialverbunde und Recyclingverfahren (vor allem bei Mischtextilien und chemischen Verfahren) sowie die noch fehlende Infrastruktur für die Sortierung und das Recycling von Alttextilien eine zentrale Rolle. Gleichzeitig belasten die hohen Kosten für Sekundärrohstoffe und die starke Konkurrenz durch preisgünstige Importwaren die Wettbewerbsfähigkeit der Branche. Hinzu kommt eine geringe Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Produkte, was sich auch in einer entsprechend geringen Nachfrage äußert.
Regulatorische und marktbegleitende Barrieren werden von Unternehmen als besonders gravierend eingestuft. Die Notwendigkeit einer raschen Umsetzung der neuen EU-Vorgaben wird klar artikuliert, insbesondere im Hinblick auf das geplante Extended Producer Responsibility (EPR)-System für Textilien und die Harmonisierung mit bestehenden Zertifizierungssystemen.
Unterstützende Maßnahmen und Empfehlungen
Da rasche Etablierung eines effizienten, Systems zur erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) ist eine wichtige Grundlage für die Kreislaufwirtschaft. Dies beinhaltet auch eine optimierte Sammel- und Sortierlogistik, die tragbare und nicht-tragbare Textilien getrennt erfasst.
Wirtschaftliche Lenkungsmaßnahmen sind ebenfalls essenziel, um die Kreislaufwirtschaft in der Textilwirtschaft zu forcieren, u. a. zur Eindämmung von Fast Fashion, etwa durch Zölle auf Billigimporte, Steuern auf nicht recycelbare Materialien, Verpflichtungen zu Rezyklatanteilen, Förderung zirkulärer Geschäftsmodelle. Unterstützung für Geschäftsmodelle im Reuse- und Reparatur-Bereich auch durch Anreize zur Steigerung der Nachfrage nach diesen, sowie Anreize für die Integration von Second-Hand-Angeboten im klassischen Handel könnten einen wichtigen Beitrag zur breiten Umsetzung zirkulärer Geschäftsmodelle leisten. Verpflichtungen zu Rezyklatanteilen ist für die verschiedenen Einsatzbereiche der Textilien zu überprüfen und spezifisch auszugestalten. Produktlanglebigkeit ist hier für den industriellen Einsatz ein wesentlicher Faktor.
Im Bereich Bildung und Qualifizierungsbedarf werden vor allem Kompetenzen in Abfallmanagement, Produktion und Marketing als prioritär genannt. Unternehmen investieren derzeit vorrangig in Netzwerke, Veranstaltungen und Weiterbildung bestehender Mitarbeitender.
Bestehende FTI-Initiativen werden von KMU's nur begrenzt nachgefragt. Bestehende FTI-Initiativen sollten überprüft werden, inwieweit sie den Voraussetzungen von KMUs entsprechen und deren Teilnahme erleichtern. Notwendig sind auch spezifische Finanzierungen für innovative Projekte und Geschäftsmodelle über die reine Anschubphase hinaus.
Hoher Forschungsbedarf besteht bei:
- Digitalisierung und KI-gestützten Lösungen für die Sortierung, die Modellierung von Stoffströmen und Qualitätssicherung.
- Technologischer Entwicklung im Bereich Sortierung, Fasertrennung und chemischem Recycling.
- Design-for-Circularity und materialtechnischer Innovation (z. B. monomaterielle Strukturen, langlebige und recyclingfreundliche Textilien).
- Einsatz und Optimierung von Recyclingfasern unter Beibehaltung von Qualität und Nutzungsdauer
- Bedarfsanalysen für Infrastrukturaufbau für regionale Recyclingsysteme und Verarbeitung von Sekundärfasern.
- Etablierung wirtschaftlich tragfähiger kreislauffähiger Geschäftsmodelle
Fazit
Österreichs Textilwirtschaft befindet sich auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft, steht aber vor strukturellen, technologischen und regulatorischen Herausforderungen. Die weitere Umsetzung von Kreislaufwirtschaft erfordert gezielte politische und wirtschaftliche Maßnahmen, Innovationen entlang des gesamten Wertschöpfungsnetzwerks, ein ausreichend ausgestattetes Daten- und Infrastrukturfundament sowie ein Umdenken bei Unternehmen und Konsument:innen. Nur durch die gezielte Förderung, klare rechtliche Leitlinien und gezielte Informations- und Bildungsoffensiven inklusive eines Wissenstransfers in die Praxis, kann die Transformation zur kreislauffähigen Textilbranche gelingen.
Downloads
- Österreichische Akteure und Akteurinnen in branchenspezifischen Wertschöpfungskreisläufen: Transformationsschwerpunkt Textilwirtschaft (pdf, 2.23 MB)
- Factsheet Textilwirtschaft: Übersicht zum Transformationsschwerpunkt der Kreislaufwirtschaft (pdf, 2.42 MB)