Normen und Standards in der Kreislaufwirtschaft: Ansätze zur stärkeren Verankerung des Konzeptes der Kreislaufwirtschaft in Normen und Standards in der Bauwirtschaft
Bibliographische Daten
Schriftenreihe 53/2025Tina Tezarek, Veronika Reinberg, Karin Granzer-Sudra
Herausgeber: BMIMI
Deutsch, 64 Seiten
Inhaltsbeschreibung
Motivation
Normen und Standards haben eine zentrale Bedeutung für die Weiterentwicklung hin zu einer kreislauforientierten Bauwirtschaft. Sie bieten Orientierung bei der Umstellung bestehender Prozesse, definieren Bewertungsmethoden und können als Produktstandards direkten Einfluss auf die Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit von Bauprodukten oder ganzen Gebäuden nehmen. Gleichzeitig können sie jedoch auch hemmend wirken – etwa dann, wenn sie Anforderungen festlegen, die den Wiedereinsatz von Baustoffen oder den Rückbau erschweren. In dieser Kurzstudie wurden die relevanten Normen und Standards für den Transformationsbereich Bauwesen systematisch erfasst und analysiert. Dabei lag der Fokus auf der Frage, wo bestehende Regelwerke angepasst oder erweitert werden müssen, um die Kreislaufführung von Materialien und Gebäuden besser zu unterstützen. Da das Thema eng mit gesetzlichen Rahmenbedingungen verknüpft ist, wurden auch diese in die Untersuchung einbezogen.
Methodik
Im Rahmen der Kurzstudie wurden Internet-Recherchen gemacht, Expertinnen und Experten aus der Baubranchen und dem Bereich der Normierung befragt, sowie eine Online-Umfrage bei Unternehmen durchgeführt. Da die 2023 veröffentlichte Deutsche Normungsroadmap Circular Economy (DIN e.V. et al., 2023) eine umfassende Analyse der Normungsbedarfe beinhaltet, wurde mit den Ergebnissen und Schlussfolgerungen dieses Dokuments gearbeitet.
Ergebnisse
Ein zentrales strukturelles Problem der Baubranche liegt in der langsamen Umsetzung von Normen und Standards in der Praxis. Im Vergleich zu anderen Branchen vergehen oft viele Jahre, bis neue Regelwerke tatsächlich angewendet werden. Hinzu kommt, dass Gebäude deutlich längere Nutzungszyklen aufweisen, als viele andere „Produkte" – sie wurden daher häufig nach mittlerweile veralteten Normen errichtet. Dennoch müssen Planerinnen und Planer, Unternehmen und Behörden mit diesen Gegebenheiten umgehen. Auch neue EU-Normen zum zirkulären Bauen benötigen oft viel Zeit, bis sie in der Praxis angekommen sind.
Die Komplexität der Baubranche ergibt sich zusätzlich aus den verschiedenen Betrachtungsebenen. Einerseits betrifft dies die Gebäudeebene, etwa beim Rückbau oder der Gebäuderessourcenpass-Erstellung, andererseits einzelne Materialien – beispielsweise hinsichtlich ihres Recyclinganteils oder ihrer Wiederverwendbarkeit. Diese Vielschichtigkeit erfordert differenzierte und abgestimmte Regelungen entlang des gesamten Lebenszyklus von Bauwerken.
Als besonders relevant wurden jene Normen identifiziert, die den Einsatz von Sekundärmaterialien und die Wiederverwendung von Bauteilen regeln oder behindern. Ein zentrales Problem stellt hierbei die fehlende rechtliche Klarheit beim Übergang vom Abfall zum Produkt dar („End-of-Waste"). Auch bei der Gebäudeökobilanzierung, Anforderungen an kreislauffähige Konstruktionen und der Entwicklung von Gebäuderessourcenpässen besteht deutlicher Handlungsbedarf. Der Bedarf an harmonisierten Begrifflichkeiten, eindeutigen Bewertungskriterien und einer stärkeren Integration zirkulärer Strategien in bestehende Normen wurde besonders betont.
Ein häufig genanntes Hemmnis ist die auf Neuprodukte ausgerichtete CE-Kennzeichnung, die derzeit die Wiederverwendung von Bauteilen rechtlich und praktisch erschwert. Es braucht vereinfachte, praxistaugliche Verfahren zur CE-Kennzeichnung gebrauchter Bauprodukte, um ihren Wiedereinsatz zu erleichtern und Rechtssicherheit zu schaffen.
Die Ergebnisse aus Interviews und Umfragen zeigen, dass bestehende Normen – etwa im Bereich der OIB-Richtlinien, ÖNORMEN oder Eurocodes – meist auf Neubau und neue Produkte ausgerichtet sind. Dadurch werden nachhaltige Umbauten und die Nutzung gebrauchter Bauteile unnötig erschwert. Unternehmen fordern daher mehr Praxisbezug, klare rechtliche Rahmenbedingungen und eine verständliche Umsetzung bestehender Vorgaben.
Downloads
- Normen und Standards in der Kreislaufwirtschaft: Ansätze zur stärkeren Verankerung des Konzeptes der Kreislaufwirtschaft in Normen und Standards in der Bauwirtschaft (pdf, 716.18 kB)
- Anhang: Umfrage "Kreislaufwirtschaft in der österreichischen Bauwirtschaft" (pdf, 293.61 kB)